Originalarbeiten Dr. Künzlis

Hahnemanns Psoratheorie anhand der Entwicklung einer chronischen Krankheit illustriert (ZKH 1964/Bd. 5)

J. Künzli von Fimelsberg

HAHNEMANN unterscheidet, wie ich 1959 in einer längeren Arbeit ausführte, [1] bei der Psora:

  1. Die Ansteckung mit Krätze,
  2. Das Inkubationsstadium von 6 bis 14 Tagen,
  3. Dann den Ausbruch des Krätzausschlags (welchen HAHNEMANN in Parallele zum syphilitischen Primäraffekt setzt),
  4. Darauf wird der Ausschlag unterdrückt oder tritt unter besonderen Umständen selbst zurück, und dadurch geschieht der Übergang zu den sekundären
    Psoramanifestationen:
    Ist der Ausschlag stark gewesen, so erfolgt sehr rasch auf die Unterdrückung die eindeutige chronische Krankheit. Ist der Ausschlag nur schwach gewesen, so:

    1. erfolgt zuerst ein Stadium der Latenz, welches
    2. später aber doch auch meist zum Ausbruch entwickelter Psora übergeht.
  5. Das Ausbruchsstadium wird unterschieden vom Stadium der fertigen chronischen Krankheit.

Das Schema sieht so aus:

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Der Latenz entsprechen gewisse Latenzsymptome, dem Ausbruch wieder andere Symptome. HAHNEMANN hat die Liste derselben in seinem Buch von den „Chronischen Krankheiten“ [2] hinterlassen.

Die Stadien der Latenz, des Ausbruchs und der definitiven chronischen Krankheit lassen sich typisch an folgendem Fall einer chronischen Krankheit nachweisen.

Das Latenzstadium wies sich durch folgende Symptome aus:

  • Als Kind: zeitweise Madenwürmer, auch mal Spulwürmer (= Symptom 1 der HAHNEMANNschen Liste der Symptome latenter Psora).
  • Bald unersättlicher Hunger, bald Appetitlosigkeit (Symptom 3 der Liste).
  • Blässe des Gesichts und Schlaffheit der Muskeln (Symptom 4). Zum Beispiel konnte er beim Turnen nicht klettern, er hatte einfach zu schwache Arme dazu.
  • Halslymphknotengeschwülste (was man früher „Skrofeln“ nannte). Das hatte er die ganze Kindheit hindurch, auch hinten suboccipital waren stets geschwollene Lymphknoten nachweisbar (Symptom 6 der HAHNEMANNschen Liste).
  • Nasenbluten bei Jünglingen (selten bei älteren), oft von großer Heftigkeit (Symptom 8). Das kam zur Pubertätszeit ab und zu vor.
  • Gewöhnlich kalte oder inwendig schweißige Hände (Symptom 9). Auch dies die ganze Kindheit durch, ferner durch die Studentenjahre, bis in die Krankheit hinein.
  • Übelriechende, schweißige Unterfüße (Symptom 10). Dieses in den Studentenjahren vorzüglich.
  • Häufiger Klamm der Waden (Symptom 12), gerade in der Studentenzeit.
  • Schmerzloses Aufhüpfen einzelner Muskelteile hie oder da am Körper (= fibrilläre Zuckungen, Symptom 13), gerade in der Studentenzeit oft beobachtet, zum Beispiel an den Wadenmuskeln.
  • Oft, oder langwieriger Stock- oder Fließschnupfen (Symptom 14). In der Vorschul- und ersten Schulzeit auffallend dagewesen. Da hatte er sehr langwierige, gräßliche
    Naseinkatarrhe mit dicker, gelber Absonderung, Geruchsverlust und Parosmien.
  • Langwierige Verstopfung des einen Nasenlochs (Symptom 15), und zwar war es stets die Seite, auf welcher er lag, aber eher rechtsseitig. Danach erinnert er sich sein ganzes Leben lang.
  • Lästiges Trockenheitsgefühl in der Nase (Symptom 17). Auch dieses zeitweise störend, so daß er dann immer durch die Nase prustete, um sie feucht zu bekommen.
    Das Symptom wurde in der Krankheit selbst dann noch deutlicher und unangenehmer.
  • Leichtes Verkälten (teils des ganzen Körpers, teils nur des Kopfes, des Halses, der Brust, des Unterleibes, der Füße, zum Beispiel in Zugluft (Personen, die nicht psorisch sind, erleiden von Zugluft oder feuchter Kälte, wenn sie ihnen auch nicht angenehm ist, keine Verkältung, keine Nachbeschwerden.), gewöhnlich bei Neigung dieser Teile zu Schweißen) und mancherlei davon, oft anhaltende Beschwerden. Dies ist Symptom 21 der Liste. Auch dies war in der Schulzeit sehr auf fallend, immer wieder Absencen wegen Erkältung.
  • Häufiges Ausfallen der Kopfhaare, Trockenheit derselben, viel Schuppen auf dem Haarkopfe (Symptom 25). Das war besonders in der Studentenzeit bedenklich. Jeder Coiffeur riet irgend etwas an, man machte aber nichts, sondern ließ den Dingen ihren Lauf, man hatte ja keine Ahnung, was dies bedeutete.
  • Müdigkeit früh beim Erwachen; erquickungsloser Schlaf (Symptom 21). Auch dies in der Kindheit.
  • Frühschweiß im Bette (Symptom 30). Der Junge bemerkte stets, er bleibe morgens gar nicht gerne wach im Bette liegen, da beginne er gleich leicht zu schwitzen. Vgl. dazu hinten.
  • Unfähigkeit, in Schweiß zu kommen (Symptom 31). Zum Beispiel schwitzte der Junge bei Heuarbeit im Sommer nie, wo andere strömten. Er hat sich immer gewünscht, er möchte doch auch schwitzen können, er würde dann auch braun wie die anderen.
  • Widerwillen gegen Fleisch (Symptom 38).
  • Widerwillen gegen Milch (Symptom 39), dies letztere erst in der Studentenzeit.
  • Die Nacht oder früh, Trockenheit im Munde (Symptom 40). Dies Symptom störte den Jungen erheblich jahrelang, gerade in der Studentenzeit, es war sehr unangenehm.
  • Frostbeulen Füße und Hände (Symptom 48), als Mittelschüler und später, bis zum Ausbruch der Krankheit.
  • Leichtes Verknicken der Fußgelenke (Symptom 50) war auch zeitweise sehr auffallend.
  • Ziehende, spannende Schmerzen in verschiedenen Körperteilen, besonders bei feuchtem, stürmischem Wetter, bei Nordwest- und Nordostwind, nach Verkälten, Verheben (Symptom 52). Oft in Studentenzeit. Er sagte dann jeweils, er habe halt „Rheuma“, was aber für so junge Leute eigentlich nicht üblich ist.
  • Schmerzen in der Ruhe, die bei Bewegung vergehen (Symptom 53). Gerade die „Rheumaschmerzen“ waren dieser Art.
  • Erneuerung und Erhöhung der Beschwerden bei tiefem Barometerstande, Nord-und Nordostwind, im Winter und gegen den Frühling zu (Symptom 54).
  • Schreckhafte Träume (Symptom 55).
  • Winters rissige Lippen, besonders Unterlippen, und rauhe Hände, schon als Knabe (Symptom 56).

Das waren alles Symptome der latenten Psora bei dem Jungen. Niemand achtete natürlich darauf, jedermann hielt ihn für gesund, und er sich selbst auch. Der Junge durchlief alle Studien und Examina mit Erfolg, machte auch seinen Militärdienst und den letzten Krieg als Soldat und Offizier ohne irgend etwas Auffallendes durch. Dann kam er in eine Konfliktsituation hinein. Er wäre gern dem Beruf seines früh verstorbenen Vaters gefolgt, sah aber keine Ausbildungsmöglichkeiten darin. Es war immer noch Krieg, unsere Grenzen geschlossen. Er hatte in dieser Zeit eine in den Augen seiner Kollegen etwas minderwertige Stelle inne – andere seiner Studiengenossen ohne größere Fähigkeiten versahen interessantere, angesehenere Posten. Er sah die Jahre fortschreiten und wußte gar nicht recht, wo hinaus es gehen sollte.

In diesen Jahren arbeitete die Psora weiter, genährt von dieser psychischen Konfliktsituation, genau wie HAHNEMANN es beschreibt. Dazu kam die in den Kriegsjahren vielleicht doch nicht gleich gute Ernährung.

Die Psora bricht nun aus der Latenz heraus. Was in diesen Konflikt jahren besonders auffallend war, das war eine für so junge Leute doch sonst seltene

  • Schlaflosigkeit (1),
  • dann öftere Schmerzen im rechten Bein, gerade nachts, wenn er schlaflos war.
  • Da quälte ihn das Bein manchmal richtig (2).
  • Es stellte sich zunehmend Auswurf ein (3).
  • Eine Zeitlang hatte er auffallend ikterische Augen, so daß ihn einmal jemand fragte: „Haben Sie Gelbsucht?“ (4).
  • Zuletzt vor der definitiven chronischen Krankheit bemerkte er als ganz neu nach dem Mittagessen Blutandrang zum Kopf, wie Wallungen, mit rotem Kopf (5).
  • Sodbrennen,oft heftig und quälend und lang anhaltend (6).
  • Schuppen, Haarausfall, Glatze am Vertex beginnend (7).
  • Schwarz vor den Augen beim Aufrichten vom Bücken (8).
  • Aknepickel im Gesicht (9).
  • Afterschmerz nachts („Hämorrhoidalkolik“, denn Hämorrhoiden waren dann jeweils vorhanden [10]).
  • Nachts mußte er stets einmal zum Wasserlassen aufstehen, was ihm sehr unbequem war (kaltes Logis – sehr weit entfernte Toilette), was früher auch nie vorkam und ihm deshalb auffiel (11).

Schauen wir mit dem Patienten HAHNEMANNS Symptomenliste der ausbrechenden Psora durch, so finden wir da folgende Analogien mit unserem Fall:

Symptom 3 der Liste HAHNEMANNS: Schwindel, bei schnellem Umdrehen fällt er über den Haufen. – Dies Symptom war beim Patienten schon in der Psoralatenzphase vorhanden, er ertrug schnelles Umdrehen nie.

Symptom 15 der HAHNEMANNschen Liste: Es wird ihm zuweilen schwarz vor den Augen, zum Beispiel beim Wiederaufrichten nach Bücken. – Auch dies Symptom war schon in der Psoralatenzperiode da. Es ist Symptom 8 der oben zitierten Symptome des Patienten.

Symptom 16 der HAHNEMANNschen Liste: Andrang des Blutes nach dem Kopf. – Das entspricht Symptom 5 obiger Liste der Patientensymptome.

Symptom 17 der HAHNEMANNschen Liste: Hitze im Kopfe (und im Gesicht), nicht selten mit Kälte der Hände und Füße. – Entspricht auch Symptom 5, war ganz typisch da.

Dann Symptom 28 der HAHNEMANNschen Liste: Haarkopf voll Schuppen, mit Jucken. – Entspricht des Patienten Symptom 7.

Dann war ebenfalls vorhanden Symptom 31: Kopfhaare fallen häufig aus, am meisten Wirbelgegend und Kahlwerden über den Ohren.

Weiter Symptom 35: Häufigere Gesichtsröte und -hitze. – Das war recht auffallend vor Ausbruch der Krankheit.

Symptom 49: Gilbe des Augenweißen – des Patienten Symptom 4.

Dann Symptom 57: Es schweben ihm wie Fliegen oder schwarze Punkte vor den Augen, besonders beim Sehen ins helle Tageslicht. – War auch jahreweise vorhanden.

Symptom 72: Nasenbluten, mehr oder weniger, öfter oder seltener. – Dies Symptom war auffallend in der Latenzperiode vorhanden (siehe vorn), später nur sehr selten.

Symptom 73: Nasenlöcher wie verstopft, entweder das eine oder beide, oder abwechselnd das eine und das andere; oft ist nur das Gefühl von Verstopftheit, während
er doch gut Luft hindurchziehen kann. – Das war ja schon in der Latenzzeit da, begleitete ihn aber auch noch deutlicher in der Ausbruchsperiode, ging aber dann
auch in der Krankheit weiter bis durch diesselbe durch und wieder zurück zur Latenz. Solange das da ist, ist also alles nur Latenz, keine echte Heilung.

Symptom 74: Nasentrockenheitsgefühl, lästiges, auch bei gutem Durchgange der Luft. – Auch dies Symptom war oft recht störend da, auch in der Krankheit selbst noch. Bei fortschreitender Heilung verschwand es.

Symptom 78: Geruch, allzu heftiger, hohe und höchste Empfindlichkeit selbst für die unmerklichsten Gerüche. – Auch dies Symptom war da, und zwar vor allem gegen
Tabakrauch. Er roch solchen, wo kein anderer Mensch mehr etwas roch. Und ihm war derselbe sehr unangenehm. Dies Symptom bestand hauptsächlich auch während
der Krankheit und in der Rekonvaleszenz noch lange.

Symptom 85: Das Lippenrot ist trocken, schorfig, schälig, springt auf. – Dies Symptom war auch sehr ausgesprochen in der Zeit vor der offenen Krankheit und während
der Krankheit. Später bei fortschreitender Heilung besserten sich die Lippen diesbezüglich auch zusehends.

Symptom 89: Gesichtsausschläge unzähliger Art, zum Beispiel Finnen. – Hier ist des Patienten Symptom 9 anzuführen. Bei Finnen handelt es sich nämlich um Akne.

Symptom 90: Unterkieferdrüsen geschwollen, auch wohl in langwierige Eiterung übergehend. – Letzteres war nie der Fall – man denkt an die eiternden Halslymphknoten bei Skrofulöse –, ersteres aber wohl, die ganze Studienzeit hindurch zum Beispiel.

Dann ein jahrelang auffallendes Symptom (110), mit dem aber niemand etwas anzufangen wußte: Trockenheitsempfindung des ganzen inneren Mundes, oder tief
im Halse, am meisten beim Erwachen in der Nacht und früh, ohne Durst; bei einem höheren Grade von Trockenheit im Halse oft stichlichter Schmerz beim Schlingen. – Als Student dachte er oft darüber nach, da es oft sehr unangenehm war. aber wie gesagt: machen konnte er nichts damit.

Symptom 114: Stetes Speichelspucken. – Dies kleine Symptom war in der Ausbruchsperiode eine Zeitlang wirklich da. Rückblickend erinnert der Patient sich dessen.

Symptom 116: Häufige innere Halsentzündung und Geschwulst der zum Schlingen dienenden Teile. – Es ist wohl nicht danebengegriffen, wenn die sich eine Zeitlang
wiederholenden Retrotonsillarabscesse des Studenten hierzu gezählt werden.

Symptom 119: Geschmack im Munde bitter, am häufigsten früh. – Auch dies kleine Symptom war oft zu beobachten.

Symptom 123: Aufstoßen nach dem Geschmacke der Speisen, ein paar Stunden nach dem Essen. – Dies zusammen mit argem Sodbrennen war auch ein Vorzeichen der späteren schweren Krankheit.

Dann Symptom 126: Aufstoßen, saures, besonders nach Milch.

Symptom 128: Aufstoßen, ranziges, besonders nach Fettgenuß.

Symptom 129: Aufstoßen, fauliges, – war auch bei Magenstörungen ab und zu da.

Symptom 133: Erregung der herrschenden Beschwerden in irgendeinem Teile des Körpers nach Genuß von frischem Obste, besonders dem säuerlichen, und von Essigsäure (bei Salaten usw.). – Das war so ausgesprochen, daß der Patient bemerkte, frisches Obst tue ihm nicht gut. Und bei Salaten bemerkte er, er habe solche „nicht gern“. Beides kam dann so vom Speisezettel ziemlich weg.

Symptom 136: Übelkeit jedes Mal nach Fettigem oder nach Milch. – Milch trank er schon gar keine mehr. Nach Fettigem kam wie gesagt sehr oft Übelkeit.

Symptom 148: Widerwillen gegen gekochte, warme Speise, besonders gekochtes Fleisch, und fast bloß Verlangen nach schwarzem Brote (mit Butter) oder nach
Kartoffeln. – Dazu ist zu sagen: Effektiv hat er gekochtes Fleisch nie sehr geschätzt, und Butterbrot hatte er immer sehr gern.

Symptom 166: Nach dem Essen sehr müde und schläfrig. – Auch dies Symptom war vor Ausbruch der Krankheit aufgetreten, vorher nicht da gewesen.

Symptom 172: Blähungen treiben den Leib auf, eine große Menge abgehender, ungemein stinkender Blähungen. – Auch dies Warnungssymptom bestand jahreweise.
Da er sonst das Gefühl hatte, doch gesund zu sein, beachtete er die Sache nicht weiter.

Symptom 198: Abgang von Spulwürmern durch den After. – Dies kam, zwar selten, auch mal vor. Zum Beispiel bei großen Aufregungen, zum Beispiel gerade an der
Reifeprüfung. Also auch dies: Symptom ausbrechender Psora.

Symptom 200: Stuhlgang, dessen erster Teil gewöhnlich sehr hart ist und mühsam abgeht, der folgende aber durchfällig ist. – Kam oft vor, wie sich Patient nachträglich
entsinnt.

Symptom 211: Unschmerzhafte und schmerzhafte Blutaderknoten am After, im Mastdarm (blinde Hämorrhoiden).

Symptom 212: Blutende Aderknoten am After oder im Mastdarme (fließende Hämorrhoiden), vorzüglich beim Stuhlgange, worauf die Knoten oft lange heftig
schmerzen.

Symptom 214: Kriebeln und juckendes Kriebeln am Mastdarm mit oder ohne Abgang von Oxyuren.

Symptom 225: öfteres Nachtharnen. – Unser Symptom 11 von oben.

Symptom 271: Stockschnupfen und verstopfte Nase oft, oder fast stets, auch wohl ununterbrochen. – Das war in früheren Jahren der Fall, in Zeiten kurz vor der
Krankheit eher das Gegenteil.

Symptom 274: Unmöglichkeit, den Schnupfen zu bekommen, ungeachtet starker Vorzeichen dazu, bei großen anderen Übeln von Krätzsiechtum. – Er rühmte kurz
vor der Erkrankung einmal, „er bekomme doch nie mehr einen Schnupfen“, er meinte, das sei ein gutes Zeichen.

Symptom 278: Luftröhreneiterung. – Das heißt gegen die Krankheit zu kam zunehmend Auswurf, es schien ihm aus dem Hals, was bei der Liste der Symptome
der ausbrechenden Psora als

Symptom 115 so notiert ist: Häufiger Schleim tief unten im Halse (Rachen), den er oft des Tages, besonders früh, heraufrachsen und auswerfen muß. – Das war typisch der Fall und jahreweise, verstärkte sich bei Ausbruch der Psora aber so, daß dem Patienten ab und zu doch etwas Bedenken deswegen auftauchten. Husten hatte er dabei nie, nur eben diesen Auswurf, vorwiegend früh. Der Auswurf sah dabei gelb oder grünlich aus, es war also nicht bloß etwa Speichel oder Schleim.

Symptom 285: Husten besonders die Nacht. – Das war zu allerletzt. Da war die Krankheit aber eigentlich schon recht weit entwickelt.

Symptom 294: Heftige, zuweilen unerträgliche Stiche in der Brust bei jedem Atemzuge, Husten unmöglich vor Schmerz, ohne Entzündungsfieber (unechtes Seitenstechen). – Rückblickend kann der Patient sagen, daß er das oft hatte. Er schaute es für Rheuma an, da es zum Beispiel nach Zugluft auf die linke Thoraxseite dann da links kam. Er erinnert sich an einzelne Attacken, die so heftig waren, daß er sich kaum rühren konnte.

Symptom 306: Engbrüstigkeit, lautes, schweres, auch pfeifendes Atmen. – Dies fiel ihm kurz vor der erklärten Krankheit zum ersten Male im Militärdienst bei einem steilen Weg auf, wo andere viel weniger schnaufen mußten als er. Er schrieb es aber nur ungenügendem Training zu.

Symptom 316: Im Kreuze, im Rücken, im Genick, ziehende (reißende), spannende Schmerzen. – Hier erinnert er sich, daß bei ausbrechender Psora ab und zu Hexenschuß auftrat, was früher nie vorgekommen war.

Symptom 317: Stechend-schneidende schmerzhafte Steifigkeit des Genickes, des Kreuzes. – Auch Kehrhals (Torticollis) war eine neue Erscheinung in dieser Zeit. Symptom 319: Schweredruck auf den Schultern. – Hier erinnert er sich, daß er deswegen lieber keinen Mantel trug, sonst wurde dies Zeichen bedenklich mühsam.

Symptom 321: In der Beinhaut der Knochen hie und da, besonders der Knochenröhren, drückende und drückend-ziehende Schmerzen. Dann schmerzen die Stellen auch bei Berührung, wie zerschlagen oder wund. – Er erinnert sich, daß er das ab und zu an den Tibiae hatte.

Symptom 331: Die Gelenke verstauchen oder verknicken sich sehr leicht, zum Beispiel das Unterfußgelenk, das Handgelenk, das Daumengelenk. – Bei unserem Patienten waren es die Fußknöchel. Gerade im Sommer kam es bei Fußtouren zeitweise vor, da knickte er auf ebener Straße plötzlich über. Er lief deshalb dann zeitweise auf vorsichtige Art auf derjenigen Straßenseite, die dem Fuß eine leichte Knickung nach innen gab. So konnte er dann weniger nach außen überkippen.

Symptom 332: Steigende Aufgelegtheit, sich zu verheben und, wie man sagt, sich Schaden zu tun schon bei sehr geringer Anstrengung der Muskeln. – Das heißt er klagte über viel rascher als früher auftretenden Muskelkater bei geringen Kraftanstrengungen.

Symptom 335: Buckeltendenz. – Schlechte Haltung. Auch dies bei unserem Patienten sehr deutlich.

Symptom 337: Schmerzhafte Empfindlichkeit der Haut, der Muskeln und der Beinhaut bei mäßigem Drucke. – Das war so ausgesprochen, daß er ungern hatte, wenn ihn jemand berührte, und zwar schon lange vor der Krankheit. Das Zitat geht weiter: Wenn er sich an etwas mäßig stößt, so schmerzt es heftig und sehr lange; die Stellen, worauf er im Bette liegt, schmerzen empfindlich, daher häufiges Umwenden in der Nacht usw. – Gerade letzteres Symptom war vor erklärter Krankeit sehr deutlich: Die Hüfttrochanteren kamen so zu schmerzen, daß er sich jeweils kehren mußte. Blieb auch noch in der Krankheit da.

Symptom 342: Knebelnde oder wirbelnde, oder innerlich juckende Unruhe, besonders in den Untergliedmaßen (abends im Bette oder früh beim Erwachen); alle Augenblicke müssen sie in eine andere Lage gebracht werden. – Dies war gerade bei den Beinen ab und zu der Fall.

Symptom 345: Kalte Füße. Kalte Hände. – Auch dies jähre weise vorhanden.

Symptom 346: Frostigkeit, stete, auch ohne äußerlich veränderte Körperwärme. – Dies Symptom kam erst kurz vor der Krankheit zum Vorschein.

Symptom 347: öftere fliegende Hitze, besonders im Gesichte, öfter mit als ohne Röte; schnelles, heftiges Heißwerden in der Ruhe oder bei geringer Bewegung, oft schon beim Sprechen, mit oder ohne ausbrechenden Schweiß. – Dies haben wir oben bei Kopf schon angeführt.

Symptom 348: Jede Wärme der Luft im Zimmer (oder in der Kirche) ist ihm höchst zuwider, macht ihm Unruhe, treibt ihn hin und her (zuweilen mit Pressen im Kopfe über den Augen – was sich nicht selten durch Nasenbluten erleichtert). – Trotz der Frostigkeit war auch dies Symptom deutlich da, er zog es vor, sich in ausgesprochen kühlen Räumen aufzuhalten.

Symptom 349: Blutwallungen. – Auch dies bei Kopf schon aufgeführt. Blutandrang nach dem Kopf.

Symptom 352: Blutadergeschwülste, Aderkröpfe, Wehadern (Varicen) an den Beinen. – Eine Anlage zu Varicen bei unserem Patienten war unbedingt festzustellen. Jetzt ist auch das wieder deutlich besser, seit er der Heilung zugeht.

Symptom 355: Frostbeulen an Zehen und Fingern, jückend-brennenden Schmerzes. – Waren gerade vor Ausbruch der offenen Krankheit quälend, in den Kriegs jähren.

Symptom 361: Ausschläge, teils von Zeit zu Zeit entstehende und wieder vergehende einzelne wohllüstig juckende Eiterbläschen, besonders an den Fingern oder anderen Teilen, welche nach Kratzen brennen und mit dem ursprünglichen Krätzausschlag die größte Ähnlichkeit haben. – Solche vereinzelte Eiterblütchen kamen ja bestimmt ab und zu vor, aber man hielt sie für vollkommen bedeutungslos –, man hielt sie zum Beispiel für eine kleine Infektion. – HAHNEMANN aber legt doch Wert darauf.

Symptom 361b: Blüten ohne Schmerz im Gesicht, dem Rücken. – Siehe „Akne“ oben.

Symptom 365: Warzen an den Händen waren in der Knabenzeit da, eine zum Beispiel am Zeigefinger rechts lange Jahre. Die Anmerkung zu „Warzen“ bemerkt, daß sie besonders in der Jugend zu beobachten seien und daß viele derselben nur kurz beständen und dann verschwänden, um einem anderen Psorasymptom Platz zu machen. – Stimmt bei unserem Fall genau.

Symptom 368: Dürre der (Ober-)Haut am ganzen Körper. Mit Unfähigkeit, bei Bewegung und Hitze in Schweiß oder merkliche Ausdünstung zu kommen. – War bei unserem Fall bis zur Krankheit auch wieder typisch.

Symptom 370: Handschweiß. – In der Studentenzeit. Stinkender Fußschweiß als Junge und noch in der Militärzeit und Studentenzeit, durch Sauberkeit natürlich wenig auffällig, aber doch vorhanden.

Symptom 371: Tägliche Frühschweiße, viele Jahre über, von saurem Geruch. – Das war bei unserem Patienten nur dann der Fall, wenn er nach dem Erwachen liegen blieb. Letzteres tat nie gut, es kamen dann ängstliche Gedanken und unangenehme Erinnerungen und damit Schweiße, besonders der Hände, Füße und unter den Armen.

Symptom 373: Steigende Verkältlichkeit, teils des ganzen Körpers, bald bloß einzelner Teile. – Auch dies stimmte bei unserem Patienten, er war zum Beispiel außerordentlich ängstlich, nasse Füße zu bekommen, da dies auffallend schlecht tat, er kleidete sich immer dicker und ängstigte sich vor jedem Luftzug, ja vor dem Wind im Freien. Da gab’s Gliederschmerzen, Schnupfen, Halsweh, Halsentzündung, Katarrh, Stechen in der Brust, genau wie es zu obigem Symptom heißt. Dem Nicht-Psorischen tun solche Anlässe eben absolut nichts.

Symptom 399: Von früh 3 Uhr an kein oder doch kein fester Schlaf mehr. – Ist bei unserem Patienten Symptom 1 und war deutlich in genau dieser Form vorhanden.

Symptom 406: Trockenheit des Halses, des Mundes nachts, oder öfteres Nachtharnen. – Wurde alles oben schon erwähnt. Symptom 416: Beängstigungen früh nach dem Erwachen. – Ich habe schon oben davon geschrieben, es ist also auch ein Symptom ausbrechender Psora.

Symptom 426: Überempfindlichkeit.

Symptom 427: Schwäche, Reizbarkeit. – War bei dem Patienten vor Ausbruch der erklärten Krankheit auch da, gegenüber früher, wo er immer sehr gelassen und ruhig gewesen war.

Symptom 428: Schneller Launenwechsel. – Zum Beispiel übertrieben entzückt über einen schönen Abend, aber plötzlich auch wieder niedergeschlagen und ärgerlich.

Damit haben wir die Liste der ausbrechenden Psora durchgegangen und haben alles aufgezeichnet, was unser Patient aufwies. Es hat auffallend viele übereinstimmende Symptome – andere ihrer chronischen Fälle haben vielleicht weniger –, wo aber so viele sind, ist der Zustand bestimmt auch um so drohender.

Bei einem Zornanfall kam es dann zu einer Hämoptyse, und nun erwies es sich, daß eine mehrcavernige offene Lungentuberkulose vorlag.

Das ist nun dann die definitive chronische Krankheit, in HAHNEMANNS Liste solcher deklarierter chronischen Krankheiten [3] etwa dem Titel Schwindsucht entsprechend.

Nun Fallaufnahme durch den homöopathischen Arzt: Gesamtheit der momentanen Symptome erfassen und das Simile dazu bestimmen.

Die geeignete Therapie, das heißt das Simile, unterstützt durch Kollapsbehandlung der befallenen Lunge, hat den Patienten von dem gefährlichen Zustand befreit: in kurzer Zeit waren die Temperaturen normal, und nach und nach hat er seine volle Tätigkeit wieder aufgenommen. Er gilt schon jahreweise als geheilt, aber der beobachtende Arzt sieht doch, daß die Sache erst ins Latenzstadium zurückgedreht wurde und daß zur wirklichen 100%igen Heilung noch etwas fehlt. Daran arbeitet er in sehr seltenen Einzelgaben heute noch. Ich habe Ihnen an Hand eines Einzelfalles dargetan, daß die Entwicklung einer chronischen Krankheit genau durch die Stadien läuft, die HAHNEMANN beschrieben hat. Das läßt sich an Hand der Symptome genau verfolgen. Wenn Sie sich die Mühe nehmen, bei allen Ihren chronischen Fällen den Antecedentien nachzuforschen – ein wirklich etwas mühsame Aufgabe –, werden auch Sie mir beipflichten müssen, daß HAHNEMANNS Beschreibung der Psoraentwicklung zutreffend ist. Was HAHNEMANN da in jahrelanger, geduldiger Beobachtungsarbeit zusammengetragen hat, stimmt. Die Symptomatologie der latenten und der ausbrechenden Psora läßt sich überall wieder nachweisen. Also stimmt dieser Teil der HAHNEMANNschen Theorie mit der Praxis überein, ist pure Wahrheit.

Was an der Theorie weniger leicht eingeht, das ist der Krätzursprung der ganzen Psora. Bei unserem Fall ist nichts von einstiger Krätze feststellbar. Zwar macht HAHNEMANN darauf aufmerksam, daß manchmal bloß geringe Spuren davon zu sehen waren, und doch hat es zur Infektion genügt. Auch ist die Möglichkeit zu erwägen, daß die Eltern vor der Zeugung des Patienten einmal Krätze hatten. In unserem Fall ist auch nichts solches bekannt. Der Ursprung bleibt also fraglich. Hier sowohl als bei noch vielen anderen chronischen Krankheitsfällen.

Da aber HAHNEMANNS Psora-Symptomatologie durchaus der Wahrheit und der Praxis entspricht, hat er vielleicht doch auch mit seiner Ableitung von Krätze recht? Wie gesagt: Krätze kann oft wirklich fast unwahrnehmbar durchgemacht werden.

Wichtig ist – und das war der Zweck dieser Arbeit –, daß HAHNEMANNS Beobachtungen betreffend Stadien der Psora-Entwicklung mit bestimmter Symptomatologie an chronischen Krankheitsfällen auch heute noch bestätigt werden können. Der Krätzursprung bleibt vorderhand noch umstritten. Vielleicht bringt die Zukunft, wie in so vielen Sparten – wo uns Beweise für unsere Methode nur so zuströmen –, auch hier mehr Licht hinein.
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Literatur:

  1. KÜNZLI V. FIMELSBERG: Chronische Krankeiten auf psorischer Basis (Zschr. klass. Homöop. III, 5: 207).
  2. HAHNEMANN, S.: Die chronischen Krankheiten, ihre eigentümliche Natur und homöopathische Heilung, 2. Aufl., S. 58ff. und S. 67ff. Dresden und Leipzig 1835. Arnold.
  3. dito – S. 98 Anm.

(Anschr. d. Verf.: Dr. med. J. Künzli v. Fimelsberg, St. Gallen, Rorschacher Straße 61).
Copyright Karl. F. Haug Verlag Stuttgart, mit freundlicher Genehmigung
https://www.thieme.de/de#66B646

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