Falldarstellungen seiner Schüler

Epilepsie, exzessive Masturbation

Dr. Erika Anzenbacher

Die erste Konsultation findet am 8.4.1986 statt:

Das knapp drei Jahre alte Mädchen hat seit Dezember 1984 wiederholte Krampfanfälle, etwa zweimal monatlich, in letzter Zeit noch häufiger. Die Anfälle zeigen keine Periodizität. Da die Eltern einen alternativen Lebensstil pflegen, haben sie sich bisher geweigert, eine antiepileptische Behandlung durchzuführen. Wegen der Häufung der Anfälle und wegen Erziehungsschwierigkeiten möchten sie aber jetzt einmal eine homöopathische Behandlung versuchen. Da die Eltern noch nie bei einem Homöopathen waren, sind sie erstaunt über die gezielten Fragen wegen der Anfälle und können sie nur teilweise beantworten. So erfahre ich bei dieser ersten Konsultation noch nicht das ganze Bild.

Nach diesem ersten Bild:

  • kräftiges, vitales Kind, blaue Augen, blonde Haare „vivacious,complexion fair“
  • lebhaft-intelligent „clearness of thoughts“
  • kann sehr zornig sein, dabei roter Kopf, Schwitzen, schlägt dann Umstehende,
  • „anger in children, face discoloration red after anger, perspiration, striking bystanders“
  • läßt sich nicht die Haare waschen, nicht die Haare schneiden „refuses every treatment“
  • zieht sich dauernd nackt aus, masturbiert häufig – ganz ungeniert, greift an die Genitalien
  • auch an die des Vaters „naked wants to be, masturbation in children excessive, handles genitals, children“
  • hat viel Durst auf Limonade „thirst constant, large quantities“
  • Krampfanfälle besonders zur Zeit der Zahnung, mit Schrei, mit Hinfallen, Bewußtlosigkeit und konvulsivischem Zucken des ganzen Körpers
  • „convulsions in children, dentition during, with shrieking, falling,consciousness without,
  • convulsive movements clonic“

erhält das Kind Belladonna M.

Bericht am 13.5.86:
Das Kind hatte gestern erstmals seit Belladonna wieder einen Anfall mit Schrei, Faustschluß, blasigem Speichel. Das Kind sei während der letzten Wochen viel angenehmer gewesen. In den letzten Tagen über Bauchschmerzen geklagt. lch gebe nochmals Belladonna, diesmal XM.

25.6.86:
Am 29.5.und 23.6. Krampfanfall, jeweils dann, nachdem sie aus dem Schwimmbad kommt. Das sei auch früher schon eine gefährliche Situation gewesen – so nach dem Schwimmen. Am 22.6. habe sie wieder über Bauchschmerzen geklagt „ailments convulsions before in stomach“Sie sei in letzter Zeit ausgesprochen gewalttätig gegen ihre Schwester „Violence“ Zerstörungssucht „destructiveness“ wirft alles rum anger,temper tantrums“ masturbiert wieder exzessiv „masturbation excessive at any opportunity“- nun entschließe ich mich für Hyoscyamus M.

8.7.86:
Sie hatte am 26.6. einen Krampfamfall nach Baden im See und am 7.7. zwei Anfälle. Ich gehe nun nochmals den ganzen Fall samt den Allgemeinsymptomen durch:

  • Verlangen nach süßen Speisen, Ei und Fett, „generalities, food, sweets, desire“, „generalities, food, eggs, desire“, „generalities, food, fat, desire“ (SR);
  • Aversion gegenüber Fleisch, „generalities, food, meat, aversion“ (SR);
  • Anfallsneigung bei Vollmond, vor Schneefall, um die Zeit der Zahnung,
  • „ convulsions, moon, at full, convulsions weather, storm, approach of, convulsions,dentition during“
  • Nun verabreiche ich ihr Calcarea carbonica XM.

3.8.96:
Am 13./14.7. hatte sie innerhalb 24 Stunden fünf Krampfanfälle und am 31.7., am 1. und am
2.8. jeden Abend einen Krampfanfall.
Die Eltern haben auf mein Ersuchen das Kind nun genau beobachtet und berichten mir jetzt
einige auffallende Symptome im Zusammenhang mit den Anfällen, die mich endlich auf das
richtige Mittel bringen:

  1. nach dem Anfall haben sie schon einige Male Schluckauf bemerkt, „generalities, convulsions, ailments after, hiccough“
  2. das Kind verlange nach dem Anfall reichlich zu trinken, „stomach, thirst, convulsions,
    during“;
  3. während des Anfalls sei der Kopf nach hinten gezogen, „head, drawn backward, convulsions, in“ und „back, opisthotonus“;
  4. Bauchschmerzen vor dem Anfall, „generalities, convulsions, aura, stomach, in“
  5. es sei nach dem Anfall über viele Stunden total erschöpft, „generalities, convulsions, ailments after, prostration“
  6. und – wie wir bereits wissen – es schreit im Anfall, „ convulsions, shrieking with“

Deshalb gebe ich den Eltern Cicuta 200 in Reserve mit.

Der weitere Verlauf:

4.8.86:
Das Kind hatte einen Anfall, deshalb haben die Eltern das mitgegebene Cicuta 200 verabreicht.

3.11.86:
Gestern zwei Anfälle, sonst war sie ganz anfallsfrei. Auch das Verhalten hat sich sehr gebessert.

29.12.86:
Gestern leichter Anfall. Gutes Verhalten die ganze Zeit. Enuresis ist seit Wochen nicht mehr vorgekommen. Keine Masturbation mehr.
Sie erhält die zweite Dosis Cicuta 200.

13.2.87:
Auffallender Bewegungsdrang, sie singt und tanzt. Die ganze Zeit war anfallsfrei. Gestern hat sie „Anfall gespielt“ – es war aber nichts. Sie hat etwas über Bauchweh geklagt.
Ich gebe Cicuta M.

8.5.87:
Gestern mit Schrei kurz umgefallen. Sonst war die ganze Zeit unauffällig. Sie sei nun ein richtig feines Kind geworden. Alle Unarten sind weg. In den letzten Tagen wieder Bauchweh. Nun erhält sie Cicuta XM.

Das Kind war in der Folge vollkommen unauffällig und hatte nie wieder einen Anfall.

Zusammenfassung:

Ein dreijähriges Mädchen kommt wegen wiederholter Krampfanfälle und exzessiver Masturbation zur homöopathischen Behandlung. Die Eltern können nur wenige Angaben über die Anfälle machen und aufgrund ihrer ersten Beschreibung des Kindes gebe ich Belladonna. Die Anfälle werden zwar etwas seltener, sistieren aber nicht. Das Verhalten des Kindes hat sich verschlimmert:

Gewalttätigkeit, exzessives Masturbation bei jeder Gelegenheit. Das nun verabreichte Mittel Hyoscyamus bringt keinerlei Besserung der Anfälle, sogar eine Häufung, deshalb nochmalige Fallaufnahme und Gabe von Calcium carbonicum. Daraufhin bis zu 5 Anfällen pro Tag ! Ich ersuche die Eltern zu wiederholten Mal das Kind genau während der Anfälle zu beobachten. Sie berichten nun erstmals genau über den Ablauf der Anfälle und so kann ich endlich das richtige Mittel finden: Cicuta. Binnen 9 Monaten werden die Anfälle immer seltener und leichter.

Seither keine Anfälle mehr, Verhalten normalisiert.

Discussion:

A girl of three years with recurrent convulsions and excessive masturbation comes to homoeopathic treatment. Her parents are not able to describe these convulsions in detail and only can give a simple description of their child. Based on these facts I give Belladonna. Convulsions only get less but do not dissapear. Behaviour has aggravated, excessive masturbation at any opportunity. Hyoscyamus doens not bring any amelioration. After a new casetaking the girl gets Calcium carbonicum. Convulsions up to five per day ! Now again I ask the parent to observe the convulsions and to describe them in details. Now finally I can find the remedy Cicuta for this child. Within 9 months convulsions get less and less and dissapear completely Behaviour normalized.
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