Falldarstellungen seiner Schüler

Ängstlichkeit, Asthma

Verena Wladika

Der zehnjährige Thomas F. ist ein sehr ängstliches Kind. Obwohl er, verglichen mit seinem Bruder Andreas, deutlich weniger Karies hat, ist es fast unmöglich, ihn zahnärztlich zu behandeln.

Außerdem leidet er seit seinem zweiten Lebensjahr an Asthma. Er ist das erste Kind in der Familie und damals, zu Beginn des Asthmas, war er viel bei seinen Großeltern, da die Mutter noch berufstätig war. Begonnen hat die Erkrankung mit häufigen Bronchitiden und allmählich stellten sich richtige Asthmaanfälle ein. Die Anfälle treten häufiger nachts, nach Anstrengungen auf. Er muß aufsitzen, weint oft dabei, zieht und pfeift.

Thomas ist überhaupt weinerlich. Er fühlt sich rasch zurückgesetzt, zieht sich dann in sein Zimmer zurück und schließt nachdrücklich die Türe. Letzthin hat er so gar geweint, als er einen besonders guten Aufsatz vor der Klasse vorlesen sollte. Mit Lernen hat er im allgemeinen keine Probleme – nur Rechnen fällt ihm schwer. Thomas ist klein, schlank, hat braune Haare, blaugraue Augen mit einem deutlichen braunen Fleck in der linken Iris und viele Sommersprossen. Der Rücken ist mit dunklen Flecken übersät.

Der Appetit ist normal. Er hat sehr gerne Fisch, Nudeln und Süßes. Ungern hat er Gemüse, besonders Bohnen. Er badet und wäscht sich nicht gern. Er ist überhaupt eher schlampig. Im allgemeinen ist der Schlaf gut (wenn er kein Asthma hat). Er liegt auf der Seite und redet öfters im Schlaf. Autofahren verträgt er schlecht. Wolle ist ihm sehr unangenehm. Während der Konsultation niest er ein paar mal hintereinander. Er kann nicht schwitzen, nicht einmal beim Turnen. Obwohl Thomas doch ein so ängstliches Kind ist, gibt er manchmal verblüffend patzige Antworten, wobei er nicht zu bemerken scheint, wie frech sie klingen.

Dieser Patient bietet ja nun wirklich eine Reihe guter Symptome. Da fällt es nicht schwer, nach den Regeln, die wir bei Dr. Künzli gelernt haben, zu hierarchisieren und zu repertorisieren:

  1. auffallende, sonderliche Zeichen und Symptome nach § 153 Organon:
  1. kann bei Körperübungen und Sport nicht schwitzen, „skin, dry, inability to perspire, when exercising“;
  2. Verfärbung der Iris, „eye, discoloration, of iris“;
  1. gut beobachtete Geistes- und Gemütssymptome:
  1. weint, wenn er angesehen wird, „mind, weeping, when looked at“, eventuell auch die größere Rubrik: verträgt es nicht, angesehen zu werden, „mind, looked at, cannot bear to be“;
  2. Trostunverträglichkeit, „mind, consolation aggr.“;
  3. Frechheit, „mind, impertinence“ (SR);
  1. Allgemeinsymptome:
  1. Kleinwuchs, „generalities, dwarfishness“ (SR): dort findet sich Natrium muriaticum von Pierre Schmidt nachgetragen;
  2. Unverträglichkeit von Wolle, „skin, itching, wool aggr.“: laut persönlicher Mitteilung von Dr. Künzli ist in dieser Rubrik Natrium muriaticum nachzutragen;
  3. Abneigung gegen Bohnen, siehe Verschlimmerungen, „generalities, food, beans and peas aggr.“;
  4. Verlangen nach Fisch und Nudeln, „stomach, desires“: „fish“, „farinaceous food“.

Praktisch alle Symptome passen zu Natrium muriaticum, das er im Juni 1984 zum ersten Mal als C 200 bekommt. Er brauchte dann noch zweimal die C 200 und dreimal eine M-Potenz (alle Schmidt-Nagel), die letzte am 14.11.86. Seither ist kein Asthma mehr aufgetreten. Er ist auch wesentlich zugänglicher und mutiger geworden.

Im Frühjahr 1993, während seiner Lehrzeit als Elektriker, hatte er einige Male hintereinander fieberhafte Erkältungen, auf eine Gabe Natrium muriaticum XMwurde das sofort gut.

 

 

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