Allergische asthmoide Bronchitis
Lars Broder Stange
Herr H. J., geboren 1957, kommt Ende April 1991 in meine Sprechstunde. Er ist stämmig, mittelgroß, brünett, hat braune Augen, ist freundlich und offen im Kontakt. Von Beruf Installateur arbeitet er seit einiger Zeit in der Verwaltung der US-Armee.
Spontanbericht
Seit etwa dem 19. Lebensjahr leidet er unter Heuschnupfen mit Luftnot von Mai bis August. Er reagiert im Hauttest auf fast aIle Allergene, Gräser, Pollen etc.
Die Atemnot tritt nach dem Essen verstärkt auf, ebenso in linker Seitenlage sowie bei feuchtwarmer Witterung.
Bei starker Anstrengung, z.B. Fußballspielen, ist sie eher etwas gemildert.
Er hat das Gefühl, als ob keine Luft hereinkommt.
Im Atemstoßtest besteht eine verminderte Sekundenkapazität.
In der Phase der allergischen Beschwerden gibt es ab und zu ganz starkes Herzstechen, sowie nach oben drückende Blähungen.
Die Winde sind sehr stinkend und treten besonders auf Nüsse, Sauerkraut und Hülsenfrüchte auf.
Das linke Auge tränt öfter.
Ein Juckreiz geht die ganze Lunge herunter.
Plötzlicher starker Juckreiz ohne Ausschlag an den Unterschenkeln, muß sich kratzen, bis es blutig ist.
Er habe immer so starken Durst, trinke literweise, er sei innen wie trocken.
Starkes Schwitzen anfallsweise tags oder nachts.
Am Meer deutliche Besserung. Nach zwei Tagen sei alles gut, auch in der Hauptallergiezeit. Die Fußsohlen sind sehr empfindlich auf Kieseldruck.
Vor fünfzehn Jahren sei eine Gonorrhoe mit Antibiotika-Injektionen behandelt worden, danach war er „nie mehr ganz gesund“.
Operationen: Leistenbruch beiderseits vor einem halben Jahr. Nach Saunabesuch kam es zu einer Hodentorsion rechts, es wurde ein Implantat eingesetzt. 1990 Appendektomie, am linken Samenstrang wurde eine plastische Operation wegen Oligospermie bei dringendem Kinderwunsch durchgeführt.
Immer Entzündungen an der Glans penis sowie chronische Prostatitis seit Jahren.
Als Junge habe er oft eingenäßt.
Er sei gerne mit Menschen, koche gerne gut, beim Essen sei alles „vom Feinsten“.
Streß vertrage er nicht gut, daher habe er sich beruflich einen ruhigen Posten gesucht.
Karusselfahren löse starke Übelkeit aus.
Zucken der Glieder beim Einschlafen, kurzer Schlaf erfrischt.
Nach dem Essen sehr müde.
Frischluftverlangen, kühle Luft bei Waldlauf sei sehr angenehm.
Er liebt überhaupt die Natur, Blumen und Tiere, fast mehr als die Menschen.
Bei Nervosität, z.B. vor einem Fußballspiel, tritt Durchfall auf.
Als Kind oft Entzündungen der Tonsillen, später Tonsillektomie.
Gelenkter Bericht
Er ist warmblütig und streckt wegen Sohlenbrennen die Füße aus dem Bett.
Viel Durst, großer Appetit.
Verlangen nach Schokolade, nach sauren Speisen, nach Obst, vor allem Orangen und sauren Äpfeln, nach Fisch, Fleisch – und rohen Zwiebeln: er beißt in sie hinein wie in einen Apfel! Schlaflage rechts oder Bauchlage.
Der Schlaf ist unruhig, er wacht durch kleine Geräusche rasch auf.
Immer müde.
Verrückte ängstigende Träume, von Verfolgung, besonders nach reichlichem Essen.
Er hat gerne Gesellschaft.
Weint leicht, vor Rührung, aber auch grundlos.
Ärger: wenig, er sei eher eine gutmütige Natur.
Ausgeprägte Prüfungsangst.
Die körperliche Untersuchung zeigt bis auf quer gerillte Daumennägel beiderseits und einen geröteten Rachenring keine Auffälligkeiten.
- auffallende, sonderliche Zeichen und Symptome nach § 153 Organon:
- streckt wegen heißer Fußsohlen die Füße aus dem Bett, „extremities, heat, foot, sole, uncovers them“: Rubrik mit „Künzli-Punkt“;
- erschwerte Atmung in Linksseitenlage, „respiration, difficult, lying, while, side, on the, left side“;
- gut beobachtete Geistes- und Gemütssymptome:
- Beschwerden durch Erwartungsspannung, „mind, anticipation, complaints from“;
- Allgemeinsymptome:
- Besserung der Beschwerden am Meer, „generalities, air, seashore, amel.“;
- Verlangen nach rohen Zwiebeln, „stomach, desires, onions, raw“ (SR);
- Verlangen nach sauren Speisen, „stomach, desires, sour, acids etc.“;
- unterdrückte Gonorrhoe, „generalities, gonorrhoea, suppressed“.
Als einziges deckt Medorrhinumalle diese Symptome, in vier von sieben Rubriken ist dieses Mittel sogar dreiwertig vertreten.
Verordnung: Medorrhinum C 200(Schmidt-Nagel), eine Gabe.
Verlauf
Wenige Tage nach der Einnahme trat eine schmerzhafte Rachenentzündung mit viel Husten und deutlich vermehrter Speichelproduktion auf. Dazu kam ein profuser Fließschnupfen, sowie nächtliche Atemnot. Diese Krankheit dauerte ununterbrochen drei Wochen lang, der Patient war dabei arbeitsunfähig. Nach dieser heftigen, reinigenden Krise kamen Anfang und Ende Juni 1991 noch zwei Anflüge von Heuasthma, wieder mit Augentränen links, die ohne weitere Behandlung vergingen.
Seitdem ist Herr J. bis jetzt (Oktober 1995) ohne weitere Arzneimittelgabe frei von allergischen Beschwerden geblieben.
Diskussion
Ohne Zweifel war in diesem Fall die allergische asthmoide Bronchitis ebenso wie die chronische Prostatitis die Folge der medikamentösen Unterdrückung einer Gonorrhoe und zwar in ihrer konstitutionellen Form der Sykose. Durch das jahrelange Fortschreiten der Krankheit bildete sich eine deutliche Medorrhinum-Symptomatologie in dem Organismus heraus, welche die Verordnung dieser Nosode als Simillimum ermöglichte.
Das mehrwöchige Auftreten von Schleimhautausscheidungen nach der Arzneimittelgabe ist als prognostisch günstiges Zeichen zu werten – analog den Beobachtungen Kents, John Henry Allens und anderer Autoren, die wiederholt nach Verordnung eines Homöosykotikums das Wiederauftreten eines keimfreien Urethralausflusses beobachteten.
Überraschend war für mich dennoch, daß eine einzige Arzneimittelgabe die seit fünfzehn Jahren bestehenden allergischen Beschwerden seit nunmehr viereinhalb Jahren vollständig aufhob. Das ist in der Praxis nicht gerade alltäglich!
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